Du springst für einen Kollegen oder eine Kollegin ein, obwohl Du eigentlich verabredet bist. Zusätzlich erledigst Du Aufgaben oder übernimmst die Pflege von Patient:innen, für die Du eigentlich gar nicht zuständig bist. Regelmäßig lässt Du Dich dazu überreden, länger zu arbeiten. Erkennst Du Dich darin wieder? Dann fällt es Dir vermutlich schwer, Deine Grenzen zu setzen. Dabei ist es vor allem in einem so fordernden Beruf wie dem als Pflegekraft wichtig. Wir zeigen Dir, wie Du Dich besser mit Deinen Grenzen und Bedürfnissen auseinandersetzen kannst!
Warum sollest Du Deine Grenzen als Pflegekraft setzen?
Hast Du Angst davor „Nein“ zu sagen oder Deine Emotionen sowie Bedürfnisse zu äußern, kann das auf Dauer schlecht für Dich und vor allem auch für Deinen Berufsalltag als Pflegekraft sein. Diese Gefahren gibt es dabei:
- Krankheit: Wenn Du Dich ständig überforderst und mehr leistest als Dir guttut, kann das gesundheitliche Probleme wie Magen- oder Herzerkrankungen, Depressionen oder gar Burnout fördern.
- Frustration: Ständig zurückzustecken und Dinge zu tun, die Du eigentlich gar nicht möchtest, bringt Dir Unzufriedenheit.
- Vernachlässigung: Durch die Zeit und Energie, die Dir die Überschreitung Deiner Grenzen raubt, vernachlässigst Du Dinge, die Dir wichtig sind und für die Du Dir eigentlich Zeit nehmen möchtest.
- Fehler: Überforderung und Frustration bedeuten auch Erschöpfung. Das kann Unaufmerksamkeit und auch Fehler zur Folge haben.
Du merkst, Grenzen zu wahren bedeutet mehr als ab und an mal „Nein“ zu sagen. Grenzen als Pflegekraft zu setzen hilft Dir vor allem dabei Deine physische sowie mentale Gesundheit zu schützen. Darüber hinaus schenkt es Dir eine stabile Identität sowie Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. Grenzen setzen bedeutet, auch wenn es zunächst widersprüchlich klingt, Freiheit.
Warum ist es so schwer für manche klare Grenzen zu setzen?
Den Teller aufessen, keine Wiederworte entgegenbringen, etwas tun, dass man gar nicht versteht und nicht „Nein“ sagen dürfen. Sind Deine Grenzen in Deiner Kindheit respektiert und anerkannt worden? Ob sie toleriert wurden, beeinflusst nämlich Deinen heutigen Umgang damit. Gab es in Deiner Vergangenheit keinen Spielraum für Deine Bedürfnisse, könnte das der Grund sein, warum es Dir heute schwer fällt Deine Grenzen zu erkennen und diese auch zu äußern.
Und das nicht, weil Du schwach oder nachgiebig bist, sondern weil Du es schlichtweg einfach nicht gelernt hast. Das bedeutet aber auch gleichzeitig, dass Du es Dir aneignen kannst als Pflegekraft Grenzen zu setzen.
Wie geht es Dir, wenn andere Grenzen setzen?
Was löst es heute in Dir aus, wenn Dein Kollege oder Deine Kollegin sagt, dass er oder sie für Deinen Dienstausfall nicht einspringen kann? Wenn Dein Chef oder Deine Chefin sagt, dass Dein Gehaltswunsch nicht umgesetzt werden kann oder Du offene Kritik von Deinem Team erhältst? Fühlst Du Dich innerlich wütend, verdrehst die Augen oder fühlst Du Dich vielleicht zurückgewiesen?
Wenn das so ist, dann ist das ein Zeichen, dass Dir der Umgang mit Deinen eigenen Bedürfnissen auch schwerfällt. Dabei ist es vor allem im Pflegeberuf wichtig, die eigenen Grenzen zu wahren. Denn täglich erfährst Du Ausnahmesituationen, emotionale Ereignisse und auch körperliche Anstrengung.
Doch auch, wenn Du damit aktuell noch Deine Probleme hast, kannst Du das lernen. Wir zeigen Dir, wie das geht!
Schritt 1: Lerne, Deine eigenen Bedürfnisse zu erkennen
Schritt 2: Nehme Deine Bedürfnisse an
Schritt 3: Finde Worte für Deine Bedürfnisse
Schritt 4: Sprich Deine Bedürfnisse aus
Lerne Deine Grenzen als Pflegekraft kennen
Fangen wir ganz von vorne an. Mit dieser kleinen Reflektionsübung kannst Du in Dich hineinhören und Deine Bedürfnisse herausfinden. Beantworte diese drei Fragen schriftlich. Das kannst Du auch gerne regelmäßig machen, da es Übung benötigen kann, sich selbst kennenzulernen.
Frage 1: Was zieht Dir Energie? Das können Tätigkeiten, Situationen, Umgebungen oder sogar Menschen sein.
Frage 2: Schaffst Du dadurch manchmal Deine Aufgaben nicht oder fehlt Dir Zeit, für das was Dir wichtig ist?
Frage 3: Wann spürst Du Wut oder Ärger in Dir?
Trau Dich und nimm Deine Emotionen ganz bewusst wahr. Überlege Dir wirklich konkrete Situationen, in denen Du Erschöpfung, Wut, Genervtheit oder Demotivation spürst. Notiere diese Gedanken und überlege daraus, wie Deine Grenzen aussehen und ziehe Deine Konsequenzen daraus. Du merkst zum Beispiel, dass Du öfter einspringst als Deine Kollegen oder Kolleginnen? Lege Dir als Konsequenz zum Beispiel eine bestimmte Anzahl pro Monat fest, in denen Du Dein Frei gegen einen Dienst eintauschst.
In manchen Situationen werden Dir jedoch nur klare Worte helfen, um Deine Grenzen zu wahren. Hier erklären wir Dir noch einmal genau, wie Du richtig "Nein" sagen kannst.
Wahre auch Deine körperlichen Grenzen als Pflegekraft
Erwischst Du Dich manchmal beim Scrollen durch Instagram oder beim endlosen schauen Deiner Lieblingsserie, obwohl Du müde bist? Zwingst Du Dich manchmal noch einen Kaffee zu trinken, weil Du das Gefühl hast, Du musst noch bis spät am Abend produktiv sein? Greifst Du manchmal zur Tiefkühlpizza statt Dir die Zeit zu nehmen, um selbst zu kochen?
Das sind Momente, in denen Du Deine eigenen Grenzen überschreitest – ohne es vielleicht zu merken. Auch hier ist es wichtig, ein Bewusstsein zu bekommen. Denn wie sollst Du mit den Grenzen anderer umgehen können, wenn Du Deine eigenen nicht auch wahrst?
Diese Grenzen kannst Du setzen
Setze Dir ein Limit für Überstunden: Es ist klar, dass der Pflegealltag nicht an feste Stunden gebunden ist und Du manchmal Deine Arbeitszeit verlängerst. Wenn Du aber in Deinen Augen zu viele Überstunden machst, könntest Du Dir eine klare Grenze setzen, wie viele Überstunden Du höchsten machen möchtest.
So kannst Du das kommunizieren: „Ich mache für heute Feierabend. Der Tag war sehr anstrengend und ich möchte mich etwas erholen, um für die restliche Woche genug Energie zu haben.“
Schalte Dein Diensthandy aus: Hast Du vielleicht ein Diensthandy, über das Dich Deine Kollegen und Kolleginnen oder Deine Vorgesetzten erreichen können? Denke immer daran, dass Du in Deiner Freizeit nicht erreichbar sein musst. Du darfst das Handy auch mal ausschalten, wenn Du zum Beispiel verabredet bist. Darüber hinaus könntest Du mit Deinen Vorgesetzten sprechen, wenn Du zu oft kontaktiert wirst.
So kannst Du das kommunizieren: „Ich bin im Notfall immer gerne erreichbar, jedoch habe ich das Gefühl, dass ich öfter zum Einspringen angerufen werde als andere.“
Schränke Deine Erreichbarkeit im Urlaub ein: Du befindest Dich in Deinem wohlverdienten Urlaub und kannst nicht ausreichend abschalten, wenn Du trotzdem für Dein Team oder Deine Vorgesetzten erreichbar bist. Um Deinen Urlaub gänzlich genießen zu können, darfst Du Deine Erreichbarkeit einschränken.
Das kannst Du so kommunizieren: „Nächste Woche befinde ich mich im Urlaub. Es wäre schön, wenn ihr mich in dieser Zeit nicht bezüglich der Arbeit kontaktiert.“
Nimm Dir Bedenkzeit bei neuen Angeboten: Dir wird im Job mehr Verantwortung, eine Änderung Deiner Konditionen oder eine höhere Position angeboten? Klingt erstmal gut, nur sollte diese Entscheidung vielleicht nicht überstürzt getroffen werden. Wenn Du merkst, dass Du innerlich zögerst oder Dir unsicher bist, bitte um etwas Bedenkzeit.
Das kannst Du so kommunizieren: „Das klingt toll. Ich freue mich über das Vertrauen, dass Sie mir entgegenbringen. Ich möchte diese Entscheidung aus Überzeugung treffen und möchte mir deshalb dazu gerne noch etwas Gedanken machen.“
Bitte um Unterstützung: Wenn Du eine zusätzliche Aufgabe oder Schicht annimmst, heißt das nicht, dass Du das nicht wieder ändern und nochmal ansprechen kannst. Es heißt nicht, dass Du das allein tun musst. Sobald Du merkst, es wird Dir zu viel, kannst Du nach Hilfe Fragen.
So kannst Du das kommunizieren: „Ich kümmere mich gerne darum, habe selbst aber einen stressigen Tag vor mir. Könntest Du mich vielleicht dabei unterstützen?“
Durch Deine Grenzen als Pflegekraft schützt Du was Du denkst, fühlst und, was Dir wichtig ist. Höre deshalb genau in Dich rein, reflektiere Deine Gefühle und bemühe Dich Deinen Grenzen Ausdruck zu verschaffen. Vielleicht ist es am Anfang nicht leicht und Du erfährst das ein oder andere Mal Ablehnung dadurch. Übung macht den Meister und es lohnt sich. Langfristig werden Dir Deine Grenzen mehr Energie und Zeit verschaffen sowie Deine mentale Gesundheit fördern. Das hilft Dir nicht nur im Berufsleben, sondern auch privat.