Monica bringt ihren Vater aufgrund von Schmerzen in die Notaufnahme, er wird aufgenommen und untersucht. Sie macht sich Sorgen, denn seine Schmerzen hat er nun schon seit ein paar Tagen. Plötzlich geht alles ganz schnell: Eine Medizinerin hetzt an sein Bett, erteilt Anweisungen an Pflegekräfte – es herrscht geschäftiges Treiben. Keiner kümmert sich um Monica oder erklärt ihr, was los ist. Sie sieht, wie ihr Vater in den OP gebracht wird. Monica schnappt sich Dich, schreit Dich an, fragt, was mit ihrem Vater passiert. Aus ihr sprechen Angst, Verzweiflung und Sorge. Was kannst Du in so einer Situation tun? Wie lassen sich Konflikte mit Angehörigen entschärfen?
Warum entstehen Konflikte mit Angehörigen?
Es steht außer Frage: Die Pflege ist einer der emotionalsten Berufe. Leben und Tod, Lachen und Weinen, Gesundheit und Krankheit liegen hier sehr nahe beieinander. Und das ist nicht nur für Dich als Pflegekraft und Deine Patient:innen herausfordernd, sondern ebenso für deren Angehörige eine Ausnahmesituation. Durch Emotionen wie Sorge, Angst, Schuldgefühle und Verständnislosigkeit kann es häufig zu Konflikten mit Angehörigen kommen.
Für mich ist der Auslöser für Konflikte mit Angehörigen die fehlende Zeit für Aufklärung und Gespräche. Es ist in Zeiten der Krankheit für Familienmitglieder nicht immer leicht eine Entscheidung zu treffen und den Pflegeprozesse zu verstehen.
Denise Wellhöfer
ITS-Schwester & Gesicht von @pflegeinfosion
Das ist die Erfahrung von Denise Wellhöfer, ITS-Schwester und das Gesicht hinter dem Instagram-Account @pflegeinfosion. Der hohe Druck sowie Stress von Pflegepersonal sind entscheidende Gründe, warum es Konflikte mit Angehörigen gibt. Denn dadurch fehlt die Zeit Familienmitglieder, Partner:innen und Freund:innen über Pflegeprozesse, Hintergründe und Möglichkeiten in angemessener Zeit zu informieren und auf deren Emotionen einzugehen.
So kannst Du Konflikte mit Angehörigen entschärfen
In einem so emotionsgeladenen Job sind Konflikte mit Angehörigen keine Seltenheit. Befindest Du Dich in einer angespannten oder aufgeladenen Situation, gibt es einige Tipps, die Du beachten kannst, um sie zu entschärfen:
#1 Wechsle die Perspektive
Einmal kurz durchzuatmen und die Situation aus den Augen des oder der Angehörigen zu betrachten, kann Dir zunächst helfen. Warum reagiert er oder sie so aufgebracht? Wie fühlt er oder sie sich im Moment? Versuche, die Gefühle zunächst zu verstehen, um Konflikte mit Angehörigen zu vermeiden.
#2 Nimm das Anliegen von Angehörigen ernst
"Dass es zu Konflikten kommt, ist meiner Meinung nach in sehr emotionalen Situationen häufig nicht zu vermeiden. Deswegen zeige ich Verständnis und, wenn es passt, erzähle ich aus ähnlichen Situationen, in denen ich schwere Entscheidungen treffen musste."
Denise Wellhöfer
ITS-Schwester & Gesicht von @pflegeinfosion
Hinter Kritik und harschen Worten stecken, wie Denise Wellhöfer bereits häufig in ihrer Zeit als Pflegefachkraft erlebt hat, meist Bedürfnisse und Wünsche nach nach besserer Aufklärung, mehr Einfühlsamkeit oder anderem Umgang. Du solltest versuchen die Bedürfnisse aus dem Gesagten herauszufiltern. Zeige ihnen, dass Du Dich für ihr Anliegen interessierst, indem Du darauf eingehst und wie Denise zum Beispiel von Deinen Erfahrungen berichtest.
#3 Höre richtig zu
Im Umgang mit Angehörigen ist aktives Zuhören gefragt. So vermittelst Du Wertschätzung und kannst wichtige Informationen besser aufschnappen. Wiederhole dabei das Gesagte von Deinem Gegenüber und erfrage, ob Du das so richtig verstanden hast. Du signalisierst damit, dass Du aufmerksam zuhörst und die Informationen bei Dir angekommen sind.
#4 Beziehe Angehörige mit ein
Sind während Deiner Visite oder einem Kontrollbesuch Angehörige im Raum, ist es für diese schön, wenn Du sie dabei einbeziehst. Versuche beim Erklären medizinischer Vorgehensweisen oder Diagnosen auch immer Blickkontakt mit den Angehörigen aufzunehmen. Darüber hinaus fühlen sie sich wahrgenommen und gebraucht, wenn sie Fragen beantworten können, die für den Pflegeprozess relevant sind.
#5 Zeit für Gespräche
"Ich versuche oft zu erklären, warum es zu bestimmten Entscheidungen kommt. Und zeige auch gerne die Alternativen auf, die wir abgewogen haben, da es nicht die richtige Therapieentscheidung war."
Denise Wellhöfer
ITS-Schwester & Gesicht von @pflegeinfosion
Oftmals entstehen Unsicherheiten oder Verärgerung durch fehlendes Wissen. Für Denise Wellhöfer sind Zeit und Empathie wichtige Punkte, um Konflikte mit Angehörigen zu entschärfen. Schaffe einen ruhigen Moment ohne Hektik und Störfaktoren, um das Gespräch zu suchen. Indem Du erklärst, für welche Maßnahme ihr euch entschieden habt und vor allem warum, kannst Du Angehörige aufklären. Dadurch können sie Entscheidung besser nachvollziehen und leichter akzeptieren.
#6 Austausch im Team
Auch, wenn Du Konflikte mit Angehörigen im ersten Moment nicht persönlich nimmst, so stellen sie doch auch eine belastende Situation für Dich dar. Vielleicht fragst Du Dich: „Habe ich alle Fragen beantworten können?“ oder „Habe ich richtig reagiert oder hätte ich noch einfühlsamer sein müssen?“. Dabei kann es helfen solche Vorfälle gemeinsam im Team zu besprechen. Tauscht Euch gemeinsam aus und teilt Eure Erfahrungen, um daraus zu lernen und mit Konflikten mit Angehörigen immer besser zurechtzukommen. Kommunikation im Pflegealltag ist wichtig. So gelingt sie Dir!
Darum ist ein gutes Verhältnis zu Angehörigen wichtig
Niemand kennt den Patienten oder die Patientin so gut wie Angehörige. Sie können Dir wichtige Informationen wie biographische Eckdaten, Vorlieben oder Interessen mitteilen. Deshalb ist es wichtig, ein gutes Verhältnis zu Angehörigen aufzubauen. Sie sollten Dir vertrauen, um diese Informationen gerne zu teilen. Darüber hinaus können sie auf eigenen Wunsch bei der Pflege und hauswirtschaftlichen Versorgung mithelfen, was wiederum eine gute Atmosphäre, regelmäßigen Besuch für den kranken oder pflegebedürftigen Menschen und damit auch emotionale Unterstützung bedeutet. Ein gutes Verhältnis zu Angehörigen fördert auch die Beziehung zum Patienten oder der Patientin. Weitere Tipps für ein gutes Verhältnis zu Patienten und Patientinnen findest Du hier.
Vor allem mit diesem Hintergrund ist es wichtig, dass Du aufkommende Konflikte mit Angehörigen entschärfst und klärst. Der Schlüssel zum Erfolg ist hier vor allem die richtige Kommunikation. Darüber hinaus solltest Du nicht vergessen, dass sich die Kritik nicht gegen Dich richtet, sondern meist die emotionale Belastung aus Angehörigen spricht. Mit der Zeit bekommst Du immer Erfahrung im Umgang mit Konfliktsituationen und wirst sicherer. Wenn Du aber mal nicht weiterweißt oder Dir ein Vorfall nachgeht, solltest Du mit Deinem Team darüber sprechen.