Humor in der Pflege: Altenpflegerin Sybille Bullatschek

Wie heißt es so schön: Lachen ist die beste Medizin. Stimmt irgendwie auch! Denn Lachen hat ausschließlich positive Auswirkungen auf den Körper. Warum der Humor aber gerade in der Pflege so wichtig ist – darüber haben wir mit der Pflege-Comedian Ramona Schukraft alias Sybille Bullatschek gesprochen.

Frau Schukraft, mit Ihrem Alter Ego Sybille Bullatschek sind Sie bereits seit 2010 auf der Bühne unterwegs und bringen Menschen in ganz Deutschland zum Lachen. Wie sind Sie eigentlich dazu gekommen, Pflege-Comedian zu werden?

Ich bin schon seit 20 Jahren im Humorfach tätig. Als Autorin für diverse TV- und Radioformate fing ich an, dann tourte ich als Stand-up-Comedian über die Bühnen und coachte Newcomer. 

Sybille Bullatschek wurde dann eigentlich durch Zufall geboren. Ich war vor einigen Jahren zu einem TV-Casting eingeladen. Man musste sich in der Rolle einer Pflegekraft bewerben und vorher ein Video hinschicken. Das hat mich gereizt. So habe ich Sybille erfunden und wurde prompt genommen. Leider ist die Serie aber nie produziert worden. Daher spielte ich die Figur dann einfach auf der Bühne und entwickelte sie weiter. Anfangs hatte ich nur 10 Minuten Text. Mittlerweile habe ich vier komplette Soloprogramme und ein Best-of-Programm aufgelegt.

Humor und vor allem Lachen baut Stress ab, kann das Schmerzempfinden senken und stärkt das Immunsystem. Davon profitieren vor allem Patient:innen. Doch warum ist es wichtig, auch als Pflegekraft den eigenen Beruf mit Humor zu nehmen?

Ich finde Humor ist eigentlich in jedem Beruf wichtig. Wenn man nicht mehr über sich selbst oder eine Situation lachen kann, ist Hopfen und Malz im Grunde verloren. Mit Humor lassen sich auch die schlimmsten Situationen ertragen. Humor ist also auch ein Ventil, das uns immer zur Verfügung steht. Denn viele Pflegekräfte sind aufgrund ihrer Situation durch Zeitmangel, Doppelschichten und Bezahlung demotiviert. 

Und wir verlieren permanent Menschen in der Pflege, die in einen anderen Beruf wechseln oder gesundheitlich dermaßen angeschlagen sind, dass sie einfach nicht mehr können. Der Haken ist nur, es kommt kaum Nachwuchs nach. Für die Pflegekräfte, die noch da sind und durchhalten, bedeutet das also noch mehr Stress. 

Ich möchte den Menschen aber zeigen: Schaut her, es gibt tolle Momente in der Pflege, es ist ein erfüllender Beruf, der mehr ist als nur – auf Deutsch gesagt – Hintern abwischen. Ich kann natürlich auch keine Wunder bewirken oder Pflegekräfte herzaubern, aber wenn ich das Positive, was der Beruf hergibt, mit meiner Comedy transportieren kann, dann habe ich mein Ziel erreicht.

Als Sybille Bullatschek schlüpfen Sie in die Rolle einer Altenpflegerin und arbeiten in der Senioreneinrichtung Haus Sonnenuntergang. Wie sehr liegt Ihnen das Thema Altenpflege am Herzen?

Ich möchte Menschen in der Altenpflege motivieren und ihnen so auf meine Weise danken. Schon vor der Pandemie habe ich festgestellt, dass weder Pflegekräfte noch Senioren und Seniorinnen in diesem Land eine Lobby haben. Ihre Arbeit wird für selbstverständlich genommen, oft sogar herabgewürdigt, obwohl sie doch soviel Anerkennung verdient hätten. Mit Klatschen und einem kleinen Bonus ist es einfach nicht getan. 

Sybille Bullatschek ist eine hervorragende Identifikationsfigur, sie fühlt und denkt genauso wie Pflegekräfte – und sie ist eine Art Ventil. ‚Endlich versteht mich mal einer‘ oder ‚Genauso ist es bei uns‘. Das sind Sätze, die Menschen aus der Pflege oft zu mir sagen. Ich erhalte übrigens jeden Tag Fanpost von Pflegekräften, die mich loben und ermuntern weiterzumachen. 

Ramona Schuhkraft alias Sybille Bullatschek

Ramona Schuhkraft schlüpft als Sybille Bullatschek in die Rolle einer Pflegekraft.

Viele Ihrer Fans können sich also sehr gut mit Sybille Bullatschek identifizieren. Übernehmen Sie als Ramona Schukraft auch manchmal Teile Ihrer Rolle in den Alltag?

Jein. Mir fällt es ungemein leicht, mich in Sybille Bullatschek reinzuversetzen, sie in skurrile Situationen zu manövrieren oder Konflikte zu schaffen, die sie lösen muss. Sybille Bullatschek ist ein großer Teil von mir, aber trotzdem ticken wir grundverschieden. Das ist sehr spannend. 

Grundsätzlich war ich aber immer schon ein sehr sozialer Typ und sehe sofort, wenn jemand Hilfe braucht. Gerade für Senioren und Seniorinnen habe ich ein Auge. Ich helfe oft und gerne. Und bisher habe ich immer, egal wo ich wohnte, in meiner Umgebung eine einsame Nachbarin gefunden. Ich spüre das irgendwie. Meine letzte Nachbarin wurde knapp 90 Jahre alt und hatte niemanden mehr. In dem Mietshaus, in dem sie wohnte, war sie nicht sonderlich beliebt, weil sie früher alle etwas tyrannisiert hat. Aber ich sah nur eine alte, einsame Frau, die sich Gesellschaft wünscht. Ich habe für sie eingekauft, ihr die Haare geschnitten, mit ihr Geburtstag gefeiert und diverse Male in Fotoalben geblättert. Das hat mir auch viel Inspiration für meine Arbeit geliefert. Und ihre Dankbarkeit, wenn sie mich an der Tür verabschiedet hat, werde ich nie vergessen.

Gibt es neben solchen Momenten auch weitere besondere Situationen, aus denen Sie Ideen und Inspirationen für Ihre Auftritte als Sybille Bullatschek ziehen?

Das kann ich so pauschal gar nicht sagen. Im Grunde pulsiert der Bullatschek-Kosmos 24/7. Mein Hirn arbeitet an Gags und Nummern oder Facebook-Postings, egal ob es Sonntag ist oder 2:00 Uhr nachts. Ob ich Gassi gehe, unter der Dusche stehe oder im Bett liege. Das ist schön, aber natürlich fällt es mir auch mal schwer, ganz abzuschalten. Es strengt mich aber nie an, sondern sprudelt einfach aus mir heraus. 

Eine Grundidee entsteht meist an einem ungewöhnlichen Ort, das Ausformulieren dann jedoch am Schreibtisch. Manchmal ist der Gag schon perfekt, an anderen knobele ich dann einen halben Vormittag. Manches entsteht auch live auf der Bühne, wenn ich mit den Fans interagiere. Gerade schreibe ich an meinem ersten Buch, da kommen mir viele Ideen auch direkt am Computer. Es ist für mich schön zu sehen, wie plötzlich alles Sinn macht.

Sie sagen selbst über Sybille Bullatschek, dass Sie noch nie jemanden getroffen haben, der permanent so gut drauf ist und mit einem solchen Elan und so viel positiver Energie auch die schwierigste Situation meistert. Aber jetzt mal Hand aufs Herz: Gibt es auch Momente, in denen Sie nicht zum Scherzen aufgelegt sind?

Klar, gibt es auch immer Momente, in denen einem so gar nicht zum Lachen zumute ist. Ich habe auch schon Situationen erlebt, die mich schwer mitgenommen haben und abends musste ich trotzdem auf der Bühne stehen und lustig sein. Das ist der Job. Das Publikum weiß ja nichts von meinem aktuellen Gemütszustand. 

Umgekehrt ist es natürlich genauso. Wenn mal jemand den ganzen Abend bockig in der ersten Reihe sitzt, was äußerst selten vorkommt, darf man sich das als Comedian nicht zu Herzen nehmen. Schließlich weiß man nicht, was dieser Person vielleicht gerade durch den Kopf geht. Vielleicht ist die Mutter krank, der Hund entlaufen oder es gab Ärger mit dem Chef oder der Chefin. Ich versuche dann aufzumuntern, aber mich auch nicht runterziehen zu lassen.

Mit Ihren Kabarett-Programmen „Volle Pflägekraft voraus!“ oder „Pfläge lieber ungewöhnlich“ treten Sie vor allem auf Pflegekongressen, in Heimen und in Theatern auf. Was macht Ihnen an Ihrem Comedy-Beruf am meisten Spaß?

Ehrlich gesagt alles. Egal ob ich mit meinen Programmen auf der Bühne stehe, meine Filmchen für YouTube drehe, mir Pfläge-Merchandise ausdenke oder mein Buch schreibe. Sybilles Welt ist einfach so spannend und herausfordernd, dass nie Langeweile entsteht. 

Ich bin ein sehr kreativer Mensch und habe im Grunde täglich neue Ideen. Wenn die Fans die dann genauso witzig finden, bin ich glücklich. Und live bei den Fans ist es natürlich am Schönsten, daher habe ich das Touren während der Pandemie sehr vermisst. 

Können Sie uns auch schon etwas über Ihr Programm für dieses Jahr verraten?

Ich bin sehr froh, dass es jetzt nach der Pandemie endlich wieder losgeht. Ich spiele weiterhin meine vier Programme im Wechsel. „Ich darf das, ich bin Pflägekraft!“ „Pfläge lieber ungewöhnlich!“ „Ihr Pflägerlein kommet“ und das Best-of-Programm. Und natürlich toure ich auch dieses Jahr wieder mit meinem „Sybille sagt Danke“ Programm durch die Einrichtungen

Ramona Schuhkraft alias Sybille Bullatschek

Ramona Schuhkraft spielt als Sybille Bullatschek ihre vier Programme im Wechsel. Mehr Informationen zu Terminen erfährst Du hier.

Was würden Sie sich zum Abschluss für Ihre Fans und Pflegekräfte wünschen?

Ich wünsche mir, dass Deutschland endlich aufwacht und sieht was für Helden und Heldinnen die Pflegekräfte sind. Klatschen und eine Packung Merci-Schokolade reichen einfach nicht. Ich hoffe, dass den Leuten bewusster wird, dass es im Endeffekt auch ihnen nutzt, wenn es mehr Menschen gibt, die diesen Beruf ausüben.

Wir brauchen im Pflegebereich weniger Bürokratie und weniger Privatisierung, die nur auf Profit ausgerichtet ist. Der Mensch muss wieder im Vordergrund stehen, nicht das Geld. Menschlichkeit kann man nicht kaufen. Aber sie geht verloren, wenn zu wenig Personal vorhanden ist. Nur mehr Personal schafft eine langfristige Entlastung für die Pflegekräfte. 

Außerdem sollte man über eine bessere Bezahlung nachdenken, damit Anreize geschaffen werden. Wenn die Bundeswehr hundert Milliarden für Waffen und Panzer bekommt, warum kann man dann nicht im Pflegesektor mehr locker machen? Das Geld scheint ja offensichtlich da zu sein. Warum sollen sich Menschen den Rücken kaputtmachen, am Wochenende Schicht arbeiten und ständig Doppelschichten schieben, wenn ihr Engagement trotz allem mit Nichtachtung und einem schlechten Gehalt gestraft wird? Deshalb kämpfe ich weiter für ein besseres Image des Berufes und der damit verbunden Anerkennung.

Bist Du der humorvolle Pflege-Kollege? Mach unser Quiz und finde es heraus!

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