Mobbing unter Pflegekräften: Jeder Fünfte war bereits Opfer

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Studien belegen, dass das Mobbing in der Pflege eine große Präsenz hat. Wir wollen Dir in diesem Artikel zeigen, woran das liegt, was Du als betroffene Person oder Kollege bzw. Kollegin tun kannst und welche Auswirkungen es letztlich auf das Berufsleben hat.

Jede fünfte Pflegekraft war bereits Mobbing-Opfer, 50 Prozent haben ein solch demütiges Verhalten in Kliniken oder Praxen bereits beobachtet. Selbst jeder Zehnte hat zugegeben, selbst schon einmal gemobbt zu haben. Das sind die Zahlen der EU-Studie von Dr. Jeanette Drygalla aus dem Jahr 2010.

Heute, rund zehn Jahre später, hat sich die Situation aber noch immer nicht verbessert. Denn auch in der im Jahr 2019 erschienenen Studie „Psychische Belastung in der Pflege“ aus dem Neuropsychiatrischen Zentrum Hamburg gaben mehr als ein Drittel der befragten Pflegekräfte an, dass es Mobbing und Unstimmigkeiten innerhalb des Teams gibt. Mehr als ein Viertel klagt sogar über Diskriminierung. Wir möchten in diesem Artikel deshalb aufklären:

  • Wie äußert sich Mobbing unter Kollegen?
  • Warum mobben wir überhaupt Menschen?
  • Welche Folgen hat Mobbing für die Pflege?
  • Warum ist Mobbing in der Pflege so präsent?
  • Was können Betroffene und Kollegen bzw. Kolleginnen dagegen tun?

Mobbing im Beruf: Was ist die Definition?

Das Wort Mobbing stammt aus dem Englischen „to mob“, was in Deutsch soviel bedeutet, wie jemanden anzugreifen oder anzupöbeln. Im beruflichen Kontext hat der Arbeitswissenschaftler Heinz Leymann eine allgemeingültige Definition aufgestellt. Leymann definiert Mobbing am Arbeitsplatz als Konflikt mit einem Kollegen bzw. einer Kollegin oder Vorgesetzten. Dabei gerät der oder die Gemobbte in eine unterlegene Position und wird systematisch über mindestens 6 Monate und mindestens einmal pro Woche einer Handlung ausgesetzt, die sich gegen ihn bzw. sie richtet. Feindseligkeit ist demnach ein zentrales Element.

Aus juristischer Sicht kann Mobbing am Arbeitsplatz wie folgt gekennzeichnet werden. Der oder die Betroffene…:

  • ist Anfeindungen, Schikanen und Diskriminierungen von Kollegen und Kolleginnen oder Vorgesetzten ausgesetzt.
  • befindet sich in der Opfer-Rolle und ist in der Beziehung zum Täter bzw. zur Täterin klar unterlegen.
  • ist feindseligen Handlungen ausgesetzt, die systematisch über einen längeren Zeitraum hinweg ausgeübt werden.

Am Arbeitsplatz kann zwischen Mobbing der Mitarbeitende, durch Vorgesetzte („Bossing“) und auch durch Mitarbeitende an Führungskräfte („Staffing“) unterschieden werden.

Falschinformationen und Ignoranz:
So wird im Beruf gemobbt

Heinz Leymann hat festgehalten, welche Arten des Mobbings im Berufsleben auftreten können.

Mobbinghandlung

Definition

1. Angriffe auf die Kommunikationsmöglichkeiten einer Person

Dem oder der Geschädigten werden Informationen vorenthalten oder falsche Informationen gegeben. Die Person wird ständig unterbrochen oder angeschrien und hat kaum Möglichkeiten zu Wort zu kommen.

2. Angriffe auf soziale Beziehungen

Der Kontakt zur Person wird verweigert. Die Person wird nicht gegrüßt oder angesprochen und völlig isoliert.

3. Angriffe auf das soziale Ansehen

Es werden Gerüchte über die Person verbreitet, sie wird beleidigt und schlecht gemacht oder es werden intime Informationen gestreut, die die Person bloßstellen.

4. Angriffe auf die Berufs- und Lebenssituation

Die Arbeiten, die die Person zugewiesen bekommt sind nicht angemessen oder sogar erniedrigend. Die Kritik an der Arbeitsweise der Person ist ständig präsent und wichtige Aufgaben werden dem oder der Mitarbeitenden entzogen.

5. Angriffe auf die Gesundheit

Hierunter sind vor allem körperliche Bedrohungen oder sexuelle Belästigungen zu verstehen. Auf die Person wird Gewalt ausgeübt

Warum mobben Menschen im Beruf?

Hierfür kann es eine Vielzahl an Gründen geben. Mobbing wird häufig auch als Konflikt angesehen, den zwei oder mehrere Personen nicht gelöst haben. Teammitglieder mobben meist, um die eigene Position und das Ansehen im Kollegium zu festigen. Dennoch könnten Mobbing-Attacken auch weitere Ziele verfolgen, wie Kündigungen zu bezwecken, um Geld zu sparen. Häufig wird im Opfer aber auch nur jemand gesucht, an dem man seinen persönlichen Frust abbauen kann. Im Berufsleben spielen folgende Faktoren eine Rolle:

  • eine unklare Arbeitsorganisation (z.B. Wer ist für welche Aufgabe zuständig).
  • das Konkurrenzdenken (z.B. der Kollege oder die Kollegin ist ebenfalls ein Anwärter auf eine Beförderung).
  • innerbetriebliche Veränderungen bzw. Rollenkonflikte (z.B. neue Vorgesetzte).
  • das Arbeitsumfeld (z.B. das Betriebsklima oder Führungsverhalten).
  • Defizite in der Kommunikation (z.B. keine Transparenz bei Entscheidungen).
  • Persönlichkeitstypen (z.B. Narzissten, streitsüchtige Personen oder Personen, bei denen die soziale Kompetenz nicht zu den Stärken zählt).
  • sonstige Motive (z.B. Neid, Eifersucht, gescheiterte Träume, Beziehungen, Alkohol / Drogen).

Schlimme Folgen:
Das bedeutet Mobbing für die Pflege

Mobbing in der Pflege kann verheerende Auswirkungen für die Institutionen und Branche haben. Die Mitarbeitenden verlieren die Motivation. Es häufen sich Beschwerden, sowohl auf Personal-, als auch auf der Pflegebedürftigen- und Angehörigenseite, da letztlich auch die Qualität der Arbeitsleistung nachlässt und Fehlzeiten steigen. Die Fluktuation des Personals, in einem ohnehin vom Fachkräftemangel gebeutelten Sektor, kommt ebenso hinzu. Das liegt vor allem daran, da dem gemobbten Pflegepersonal Selbstzweifel und Unsicherheiten überkommen. Das kann letztlich bis zu Depressionen, Angstzuständen, Suchterkrankungen oder Selbstmordversuchen reichen. Auch weitere körperliche Störungen können auftreten, die die Leistungsfähigkeit hemmen.

Für die Klinik ist Mobbing im Kollegium somit auch mit Kosten und einer Qualitätsminderung verbunden. Die Arbeitgebenden in der Pflege und Medizin sollen und müssen deshalb Maßnahmen ergreifen, um das Mobbing in der Pflege zu unterbinden und verhindern. Hierzu müssen die Verantwortlichen Maßnahmen in die Wege leiten, die eine klare Antidiskriminierung zum Ausdruck bringen, beispielsweise in den Leitlinien oder Gesprächen mit Mitarbeitenden.

Warum ist Mobbing in der Pflege so präsent?

Die Arbeitsweise in der Pflege erinnert inzwischen stark an die einer Massenproduktion. Je schneller ein Erkrankter behandelt werden kann, desto mehr Personal und damit auch Kosten können die Kliniken einsparen. Für die Pflegekräfte bedeutet das zeitintensive Arbeiten einen hohen Stressfaktor. Beide Faktoren können letztlich als Auslöser angesehen werden, warum Mobbing in der Pflege stärker ausgeprägt ist. Lass uns das ausführlicher erklären.

Die Institutionen in der Pflege sind also darauf bedacht kostensparend zu wirtschaften. Ein zentrales Mittel sind Personalkürzungen. Bei älteren Mitarbeitenden in der Pflege kann es sein, dass diese noch bessere Arbeitskonditionen und auch befristete Arbeitsverträge ausgehandelt haben. Diese Mitarbeitenden sind für die Kliniken somit aufgrund ihres Alters nicht kündbar und zudem teurer, als möglicherweise neues Personal mit schlechteren Konditionen. Möglicherweise versuchen deshalb Arbeitgebende die Belastung für diese Mitarbeitenden zu erhöhen, damit diese unzufrieden werden und Fehler machen. Das langfristige Ziel ist, damit eine eigenständige Kündigung des Arbeitnehmenden zu bewirken. Häufig geht hierbei auch das sogenannte Bossing einher, bei dem die Vorgesetzten nicht auf die Beschwerden der jeweiligen Mitarbeitenden reagieren.

Auch die befristeten Arbeitsverträge spielen im Mobbing in der Pflege eine zentrale Rolle. Der Arbeitnehmende kann sich hier nicht auf Dauer verlassen, den Job behalten zu können. Mit der Gefahr der Verlust der Stelle im Hinterkopf scheint somit die Existenz bedroht, deren Sicherheit zu den menschlichen Grundbedürfnissen zu zählen ist. Gerade in der Pflege ist das neue Personal von diesen Ängsten betroffen. Gedanken wie „Der Kollege macht seinen Job echt super und wird wohl eher den Arbeitsvertrag verlängert bekommen?“ machen sich nun breit. Selbstzweifel kommen auf und der evolutionäre Urinstinkt des „Survival of the fittest“ kommt auf. Konkurrenzverhältnisse bilden sich somit automatisch, wodurch auch die zwischenmenschlichen Beziehungen leiden und Spannungen entstehen können. Das wiederum kann bis zum Mobbing führen.

Rolle im Team entscheidend für Mobbing-Opfer

Insbesondere Rollenverhältnisse können Mobbing bewirken. Gerade in Krankenhäusern gibt es eine klare Hierarchie, wodurch sich bestimmte Personen unterordnen müssen. Sofern diese das nicht tut, stört man routinierte Arbeitsabläufe, die von einem Großteil der Belegschaft seit Monaten oder Jahren so ausgeübt werden. Deshalb sind insbesondere Fachkräfte, die neue Impulse einbringen wollen, oftmals ein gefundenes Opfer, da diese als Störenfriede wahrgenommen werden.

Auch das Geschlecht kann eine Rolle für das Mobbing spielen. Wie die Bundesagentur für Arbeit berichtet sind die Pflegeberufe eine stark weiblich dominierte Domäne. 80 Prozent der Gesundheits- und Krankenpflegekräfte und 84 Prozent der Altenpflegekräfte sind demnach Frauen. Deshalb kann es sein, dass sich Männer in diesen Berufen durchaus unterordnen müssen. Andererseits spielen möglicherweise auch Männer in Führungspositionen deren Rolle als starkes Geschlecht in der Pflege aus.

Was können Betroffene in der Pflege tun?

Wichtig ist für Pflegekräfte, dass sich diese gegen Mobbing wehren. Entscheidend ist hierfür eine offene Kommunikation. Sollte Dich also ein Kollege oder eine Kollegin nicht grüßen, dann suche direkt das Gespräch und hinterfrage das Motiv. Damit werden Mobbende aufgefordert Stellung zu nehmen. Vielleicht offenbart sich auf diesem Weg der noch ungeklärte Konflikt, den Du daraufhin versuchen solltest zu klären. Sollte es auch nach Deinem Klärungsversuch weiterhin Probleme geben, kannst Du auch das Gespräch mit Vorgesetzen suchen. Versuche zuvor jedoch die Mobbing-Eindrücke präzise zu formulieren und den Auslöser zu kategorisieren.

Solltest Du selbst mitbekommen, dass Kollegen oder Kolleginnen gemobbt werden, versuche Dich mit weiteren Mitarbeitenden auf deren Seite zu stellen. Das ist allerdings nur dann möglich, wenn sich nicht ohnehin schon das ganze Team gegen die Person verschworen hat. Auch nicht-betroffene Mitarbeitende können die Vorfälle an die Vorgesetzte melden. Als Führungsperson solltest Du wiederum jedem Verdacht auf Mobbing unverzüglich nachgehen und das Gespräch mit beiden Parteien suchen.

Um ein Mobbing zu unterbinden, müssen sich die Konfliktparteien bewusst machen, dass es nicht um eine Auseinandersetzung sondern um eine Beruhigung der Situation geht. Hier empfehlt sich die Konfliktlösung in der gewaltfreien Kommunikation. Mehr Tipps zur Kommunikation in der Pflege gibt es hier.

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mobbing, pflegekraefte


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